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Zusammenfassung von Sensibel

Svenja Flaßpöhler

Über moderne Empfindlichkeit und die Grenzen des Zumutbaren

4.2 (291 Bewertungen)
30 Min.
Inhaltsübersicht

    Sensibel
    in 5 Kernaussagen verstehen

    Audio & Text in der Blinkist App
    Kernaussage 1 von 5

    Die empfindliche Gesellschaft

    Bevor wir das große philosophische und historische Fass aufmachen, bleiben wir einen Augenblick in der Gegenwart und schauen uns an, wie sich Sensibilitätskonflikte in unserem Alltag zeigen.

    Du erinnerst dich vielleicht daran, wie die schwarze Aktivistin und Dichterin Amanda Gormann 2021 zur Amtseinführung von US-Präsident Joe Biden ihr Gedicht The Hill We Climb vorgetragen hat. Damit machte sie großen Eindruck und erntete weltweiten Applaus. Doch nur wenig später wurde Gormanns Vision von Einheit und Brüderlichkeit zum Stein des Anstoßes: Als die Autorin Marieke Lucas Rijneveld das Ganze nämlich ins Niederländische übersetzen sollte, gab es heftige Proteste. Als privilegierte Weiße, so die Kritiker, hätte Rijneveld nie am eigenen Leib erfahren, wie es sich in einem schwarzen Körper lebt. Dass der Übersetzungsauftrag nicht an eine schwarze Frau gegangen war, empfanden sie als unsensibel.

    Zu einem ähnlichen öffentlichen Aufreger kam es, als die Hollywood-Schauspielerin Scarlett Johansson 2018 in dem Film Rub and Tug einen Transmann spielen sollte. Unter dem Druck der Trans-Community, die in dieser Rolle lieber eine Transgenderperson sehen wollte, gab Johansson den Part schließlich ab.

    Konflikte wie diese sind in den meisten diversen Demokratien des Westens an der Tagesordnung, denn innerhalb dieser Gesellschaften kämpfen unterschiedliche Gruppierungen um Anerkennung. Ob es die LGBTQ-Community ist oder People of Colour – viele Menschen erleben täglich Diskriminierung und fordern mehr Respekt und Rücksichtnahme. Und das ist ihr gutes Recht, denn gerade in einem demokratischen Staat gilt doch: gleiches Recht für alle – unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Klasse, Geschlecht oder sexueller Orientierung. 

    Viel zu oft aber klafft eine Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit, und Angehörige von Randgruppen müssen unter dem rücksichtslosen Verhalten seitens der privilegierten Mehrheit leiden. Das müssen noch nicht einmal körperliche Übergriffe sein, schon vermeintliche Kleinigkeiten können die Würde eines Menschen verletzen. Deshalb wird es von manchen Menschen kritisch gesehen, wenn sich etwa Besucher eines Festivals indigenen Federschmuck ins Haar stecken, chinesische Kimonos oder indische Henna-Tattoos tragen. Sich zur Unterhaltung – oder noch schlimmer: zu kommerziellen Zwecken – mit Symbolen fremder Kulturen zu schmücken, gilt als kulturelle Aneignung und als unsensibel.

    Dass wir immer mehr für die diversen Schattierungen subtiler Diskriminierung sensibilisiert werden, ist auch ein Verdienst der MeToo-Bewegung. Sie macht seit 2015 darauf aufmerksam, dass sexuelle Belästigung schon mit einem blöden Spruch anfängt. Zwar handelt es sich bei Frauen nun nicht gerade um eine gesellschaftliche Minderheit, aber auch sie müssen darum kämpfen, in ihren Nöten gesehen und gehört zu werden.

    Eine besondere Rolle in diesem politischen Klima spielt also die sensible Sprache: Weil unsere Alltagssprache mit rassistischen Begriffen gespickt ist, wird angepasst: In den Supermarktregalen weicht der „Negerkuss“ dem Schokokuss, und moderne Übersetzungen des Kinderbuchklassikers Pippi Langstrumpf vermeiden das N-Wort, indem sie den Vater der Heldin diplomatisch „Südseekönig“ nennen. Was die Einordnung ins Spektrum der Geschlechteridentitäten betrifft, können zum Glück alle, die es wollen, die Welt per Instagram-Bio oder E-Mail-Signatur wissen lassen, mit welchem Pronomen sie, er oder they gern angesprochen werden möchte.

    Aber warum haben diese sprachlichen Feinheiten eigentlich so große Wellen geschlagen? Machen wir dazu einen kleinen theoretischen Exkurs.

    Schon etwa seit Beginn des 20. Jahrhunderts herrscht in der Philosophie der Konsens, dass Sprache die Welt nicht nur abbildet, sondern überhaupt erst erschafft. Erst in dem Augenblick, in dem ich eine Holzplatte mit vier Beinen auf den Namen „Tisch“ taufe, wird der Gegenstand Tisch in meiner Vorstellung Realität. Der französische Philosoph Jacques Derrida folgerte daraus, dass man die Welt verändern kann, wenn man die Sprache anders verwendet als gewohnt. Auf die Spitze getrieben wurde dieser Gedanke schließlich von der US-Amerikanerin Judith Butler, die ihn in den 1980er-Jahren auf die Geschlechterfrage übertrug. Die Zweiteilung der Menschheit in weiblich und männlich, so Butler, wird von der Sprache zementiert. Wenn wir zum Beispiel sagen „Hiermit taufe ich dich auf den Namen Thomas“ oder „Herzlichen Glückwunsch, es ist ein Mädchen“, weisen wir Butler zufolge schon Neugeborenen eine geschlechtliche Identität zu und werden so blind für alles, was zwischen „Mann“ und „Frau“ liegt.

    Sexismus, Rassismus, Transphobie, Homophobie, Klassismus und natürlich politisch korrekte Sprache – das sind so im Groben die Schlagwörter, an denen sich die moderne Sensibilitätsdebatte entzündet. 

    Im nächsten Blink lernst du die Positionen der beiden Lager noch etwas besser kennen.

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    Worum geht es in Sensibel?

    Sensibel (2021) von Svenja Flaßpöhler ist eine philosophische Analyse des aktuellen Zeitgeistes der Empfindlichkeit. Diese Blinks erklären, warum unsere Gesellschaft im Laufe der Zeit immer sensibler geworden ist und welche Vor- und Nachteile das mit sich bringt. Sie beleuchten die aktuellen Konflikte um Political Correctness und die philosophischen Positionen dahinter.

    Wer Sensibel lesen sollte

    • Fans der Philosophie
    • Alle, die verstehen wollen, wie Sensibilität unsere Gesellschaft formt
    • Menschen, die bei der Debatte um Political Correctness mitreden wollen.

    Über den Autor

    Svenja Flaßpöhler ist Philosophin, Autorin und Journalistin. Sie arbeitete unter anderem als Buchkritikerin für den Sender 3SAT und als Redakteurin für Deutschlandfunk Kultur. Seit 2018 ist sie Chefredakteurin des Philosophie Magazins. Im selben Jahr sorgte sie für Aufsehen, als sie in der Talkshow Maybrit Illner die MeToo-Bewegung als zu passiv kritisierte. Bald darauf erschien ihr Buch Die potente Frau (2018).

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    ❤️ für Blinkist️️️ 
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    Julia P.

    Viele tolle Bücher, auf deren Kernaussagen reduziert- präzise und ansprechend zusammengefasst. Endlich habe ich das Gefühl, Zeit für Bücher zu finden, für die ich sonst keine Zeit habe.

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