Narzissmus taucht in unserer Gesellschaft in vielen Formen auf. Individuell verursacht die Persönlichkeitsstörung Leistungsdruck oder Beziehungsprobleme. Auf gesellschaftlicher Ebene kann sie sogar zu fehlerhaften politischen Systemen führen. Die narzisstische Gesellschaft erklärt, wie Narzissmus entsteht, welche Auswirkungen er haben und wie er therapiert werden kann.
Hans-Joachim Maaz ist Psychiater, Psychoanalytiker und Autor. Er hat bereits zahlreiche Fachpublikationen im Bereich der Psychotherapie veröffentlicht. Größere Bekanntheit erlangte er 1990 durch sein Buch Der Gefühlsstau, in dem er den Einfluss des repressiven DDR-Systems auf die psychische Gesundheit der Gesellschaft aus psychoanalytischer Perspektive betrachtet.
Original: Die narzisstische Gesellschaft © 2012 C.H.Beck, München
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Start free trialNarzissmus taucht in unserer Gesellschaft in vielen Formen auf. Individuell verursacht die Persönlichkeitsstörung Leistungsdruck oder Beziehungsprobleme. Auf gesellschaftlicher Ebene kann sie sogar zu fehlerhaften politischen Systemen führen. Die narzisstische Gesellschaft erklärt, wie Narzissmus entsteht, welche Auswirkungen er haben und wie er therapiert werden kann.
Gier und Egoismus – diese Eigenschaften wurden bei Investmentbankern als Ursache für den Ausbruch der Finanzkrise im Jahr 2008 verantwortlich gemacht. Das egoistische Verhalten einzelner Personen kann schwere Folgen haben. Aus psychoanalytischer Perspektive ist solch negatives Verhalten Ausdruck einer Persönlichkeitsstörung: Narzissmus.
Schon in der Antike tauchten solche Verhaltensweisen auf. Der namensgebende Narziss, Sohn eines Flussgottes und einer Nymphe, stammt aus der griechischen Mythologie. Ovids Metamorphosen beschreiben seine Zeugung als Vergewaltigung, weswegen sich eine distanzierte Beziehung zwischen Mutter und Sohn entwickelt. Als er erwachsen wird, fehlt ihm die Fähigkeit, für andere Menschen Liebe oder Zuneigung zu spüren.
Narziss erfährt ein tragisches Ende: Er verliebt sich in sein eigenes Spiegelbild, als er es im Wasser sieht, und wird von einer unerfüllbaren Liebe gequält. Da er natürlich daran scheitert, sich mit seinem Selbst zu vereinen, beginnt er zu weinen. Er erträgt den Anblick seines verzerrten Gesichts nicht und verschmachtet vor seinem Spiegelbild bis zum Tod.
Durch Freud wurde aus der Figur des Narziss der Begriff des Narzissmus entwickelt, um negative, egoistische Verhaltensweisen zu erklären. Eine moderne Theorie stammt vom Psychoanalytiker Kohut. Diese besagt, dass sich bei jedem Menschen bis ins Erwachsenenalter ein sogenanntes Selbst entwickelt, welches von äußeren Einflüssen abhängig ist. Ein starkes Selbst besitzt die Fähigkeit, seine Bedürfnisse zu äußern, ohne Beurteilung zu fürchten. Ein schwaches Selbst hingegen erkennt seine eigenen Bedürfnisse nicht und richtet sich nach den Erwartungen anderer.
Eine gestörte Mutter-Kind-Bindung führt z.B. oft zu einem schwachen Selbst und einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung. Wie Studien aus der Säuglingsforschung zeigen, sind manche Mütter, die an einer postnatalen Depression leiden, nicht in der Lage, ihren Säugling bestätigend anzuschauen. Dieser erleidet dadurch einen Liebesmangel, der ihm im späteren Leben zu schaffen macht.
Beziehungen in der Kindheit prägen unser ganzes Leben. Narzisstische Persönlichkeiten entwickeln sich daher früh und zeichnen sich oft durch ichbezogenes Verhalten aus. Allerdings führt nicht jede Form des Narzissmus zu negativen, egoistischen Verhaltensweisen.