Wie gesunde Ablösung all unsere Beziehungen verbessert
Mit 18 sind wir offiziell erwachsen. Dann halten wir vielleicht den Führerschein in der Hand, sind möglicherweise in einer Beziehung, ziehen in eine andere Stadt und starten mit Studium oder Ausbildung. Das Leben wartet auf uns!
Aber egal, wie alt wir sind und wie selbstständig wir unser Leben leben: Ein kurzes Telefonat, ein Besuch im Elternhaus oder eine beiläufige Bemerkung des Vaters – und plötzlich fühlen wir uns wieder wie ein fünfjähriges Kind. Mama sorgt sich um deine Ernährung: „Seit du kein Fleisch mehr isst, siehst du ganz kränklich aus.“ Sie kritisiert deinen Job: „Kannst du mit deiner Kunst überhaupt Geld verdienen?“ Oder findet deine Wohnung ungemütlich: „Das ist ja ein dunkles Loch, in dem du hier haust.“ Papa schweigt und zieht sich zurück. Und du? Du hast den Rest des Tages schlechte Laune, bist verletzt und reagierst mit Trotz.
Eins steht fest: Eine Beziehung auf Augenhöhe sieht anders aus. Für ein gesundes Elternverhältnis ohne Schuldgefühle, Abhängigkeiten und Verstrickungen brauchst du eine gesunde Ablösung. Das ist kein klar definierter Moment, sondern ein langer Prozess der kleinen und großen Schritte. Es geht nicht darum, die Eltern aus deinem Leben zu verbannen, sondern die Beziehung zueinander neu zu gestalten.
Wenn die Ablösung von den Eltern fehlschlägt, nennt man das Failure-to-Launch-Syndrom. Ein Extremfall dieser Nesthockerei sind die sogenannten Hikikomori. Man schätzt, dass sich in Japan eine Million junge Menschen, meist Männer, vollständig aus der Gesellschaft zurückgezogen haben und ihr Leben in ihrem Kinderzimmer verbringen.
Aber auch in unseren Breitengraden gibt es Nesthocker. Da ist zum Beispiel Michael, der sich mit 30 noch hartnäckig weigert, auszuziehen. Seine Eltern haben ihm sogar finanzielle Unterstützung für den Start ins unabhängige Leben angeboten, aber schließlich mussten sie ihn auf dem juristischen Weg zum Auszug bewegen. Michael nimmt sich als Opfer herzloser Eltern wahr. Seine Weigerung, auszuziehen, ist alles andere als erwachsen und erinnert an die Reaktion eines bockigen Kindes.
Nicht nur im Umgang mit den Eltern, sondern auch in Konfliktsituationen generell, fallen wir schnell in kindliche Muster zurück. Denk doch einmal darüber nach, welche Situationen dich auf die Palme bringen. Wie alt fühlst du dich da? Kannst du dieses Gefühl mit Situationen in deiner Kindheit in Verbindung bringen?
Wenn Eva und Hendrik streiten, wird Hendrik stumm und verkriecht sich in sein Schneckenhaus. Das war schon als Kind seine Überlebensstrategie, wenn er sich vor der ständigen Kritik seiner überforderten Mutter schützen wollte. Heute belastet dieses kindliche Verhalten auch seine Beziehung zu Eva.
Erst, wenn wir unsere alten Wunden verstehen und uns damit auseinandersetzen, können sie heilen. Sich von den alten Mustern zu lösen, ermöglicht nicht nur eine neue Beziehung zu den Eltern und eine bessere Beziehung zum Partner, sondern hilft uns auch, ein neues, liebevolleres Verhältnis zu uns selbst aufzubauen. Das ist die echte Eintrittskarte ins Erwachsensein.
Erwachsen sein – das bedeutet mehr als Ausziehen, finanzielle Unabhängigkeit und dem Kontrollblick der Mutter nicht mehr ständig ausgesetzt zu sein. Es bedeutet, sich gesund von den Eltern zu lösen. Doch das ist oft komplizierter als gedacht. In Nicht ohne meine Eltern (2023) zeigen wir dir, wie du Abhängigkeiten erkennst, Schuldgefühle hinter dir lässt und eine gute Beziehung auf Augenhöhe führst.
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