Name: Putins Netz
Rating: 4.4 (339 reviews)
Author: Catherine Belton

Putin träumte schon als Kind von einer KGB-Karriere.

Es gibt Leute, die sagen, Wladimir Putin sei nur durch Zufall Präsident geworden. Und in der Tat gibt sein kometenhafter Aufstieg Rätsel auf: Wie konnte ein völlig unbekannter Lokalpolitiker aus Sankt Petersburg in kürzester Zeit zunächst Ministerpräsident und dann der Präsident des größten Staates der Welt werden? So viel sei gleich zu Beginn verraten: Der Zufall spielte bei alledem keine große Rolle. Der KGB schon eher.

K. G. B. – drei Buchstaben, um die sich bis heute Mythen ranken. Wie viele andere träumte auch der junge Wladimir Putin davon, eines Tages für den berühmten In- und Auslandsgeheimdienst der Sowjetunion zu arbeiten. Er wollte in die Fußstapfen seines Vaters treten, der im Zweiten Weltkrieg als Spion in Deutschland gedient hatte. Als Jugendlicher war Putin so von der Idee besessen, dass er sich noch vor dem Schulabschluss beim KGB bewarb: am Standort seiner Heimatstadt Leningrad, dem heutigen Sankt Petersburg.

Doch dort schickte man ihn zunächst ins Studium. Und Putin spurte. Er schrieb sich für Jura ein und hielt sich bei der Kurswahl streng an die Vorgaben des KGB-Büros, um sich auch wirklich für den Geheimdienst zu qualifizieren. Dann, mit Anfang dreißig, kam er tatsächlich ans legendäre Rotbanner-Institut: die KGB-Eliteschule für Auslandsspione.

Sein erster offizieller Posten führte ihn nach Dresden. Das war 1985, als die DDR bereits kurz vor dem Zerfall stand. Der Dresdner Standort wirkte unbedeutend: kaum mehr als das Hinterzimmer Berlins, wo fast tausend KGB-Agenten versuchten, die „imperialistische Macht“ des Feindes zu unterminieren. Dagegen waren in Dresden gerade einmal sechs Spione stationiert. Doch hinter den Kulissen spielten sich andere Dinge ab.

Der KGB, allem voran sein ostdeutscher Auslandszweig, antizipierte den drohenden Kollaps der DDR. Darum initiierte er spätestens ab 1988 die Operation „Lutsch“, oder wie es auf Deutsch heißt, die Operation „Sonnenstrahl“. Deren Ziel war es, ein Netzwerk aus Agenten aufzubauen und in politische Kreise zu schleusen. Dieses Netzwerk sollte die Präsenz des KGB auch im wiedervereinigten Deutschland sicherstellen.

Niemand weiß, welche Rolle Putin bei dieser Operation spielte. Aber wir wissen Folgendes: Putin avancierte zum Hauptverbindungsmann zwischen KGB und Stasi. Er erhielt sogar einen eigenen Stasi-Ausweis, der ihm Zugang zu Stasi-Gebäuden und potenziellen Rekruten für die Operation Lutsch gewährte. Er musste sich nicht einmal als KGB-Agent zu erkennen geben.

Vieles deutet darauf hin, dass Putins Mission auch Terrorismus umfasste. Am 30. November 1989 wurde der damalige Vorstandssprecher der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen, durch ein Bombenattentat getötet. Was das mit Putin und dem KGB zu tun hatte? Nun, da wäre zunächst der Zeitpunkt. Der Anschlag geschah kurz nach dem Fall der Mauer, als die deutsche Wiedervereinigung greifbar schien. In diesem Falle würde die Deutsche Bank enorm von der Privatisierung ostdeutscher Staatsbetriebe profitieren. Das Timing spricht dafür, dass das Attentat die Deutsche Bank schwächen und ostdeutsche Geldhäuser im Rennen halten sollte.

Offiziell wurde der Anschlag von der RAF verübt. Experten gehen heute davon aus, dass die „Rote Armee Fraktion“ von der Stasi unterstützt und trainiert wurde, um die BRD zu destabilisieren. Tatsächlich deutete der Anschlag auf außergewöhnliche militärische Präzision hin – unter anderem, weil die Autobombe per Lichtschranke gezündet wurde.

Kurz darauf erhielt die ostdeutsche Dresdner Bank Verstärkung durch den Stasi-Mann Matthias Warnig, der wiederum ein enger Vertrauter Wladimir Putins war. Außerdem haben ehemalige RAF-Mitglieder ausgesagt, das Ziel des Anschlags sei aus Dresden vorgegeben worden.

Wer weiß, ob jemals die ganze Wahrheit ans Licht kommt. Wir sprechen hier ja nicht umsonst von „Geheimdiensten“. Aber eines steht fest: Die Verbindung zwischen KGB und Stasi bildete nur die erste Sprosse auf Putins steiler Karriereleiter.

Wie junge Tycoons in den 1990er-Jahren dem KGB die Macht streitig machten.

Zu Zeiten der Sowjetunion waren die kommunistische Regierung und der KGB unzertrennlich. Gemeinsam verübten sie eine schier unendliche Reihe finanzieller Verbrechen.

Putin half dem KGB in Sankt Petersburg zurück an die Macht.

Im Frühjahr 1990, als die Sowjetunion schon im Verfall begriffen war, wurde Wladimir Putin nach Sankt Petersburg zurückbeordert. Dort sollte er sich fortan mit der aufstrebenden Demokratiebewegung befassen, die der Kommunistischen Partei die Macht streitig machte.

Putins kometenhafter Aufstieg in Moskau.

Im Sommer 1996 bewarb sich Anatoli Sobtschak um die Wiederwahl ins Petersburger Rathaus. Er verlor, und auch Putin trat aus der Stadtverwaltung zurück. Nach außen wirkte das integer: Putin hatte die Wahlkampagne und damit auch die Niederlage zu verantworten.

Medien und die Ölindustrie geraten ins Visier des frisch gebackenen Präsidenten Putin.

Am Anfang von Putins Herrschaft dachte kaum jemand, dass das Land auf Autoritarismus und Kleptokratie zusteuerte. Immerhin hatte der scheidende Jelzin prophezeit, der junge Putin würde Jelzins Demokratisierungsprozess fortführen.

Putins Sieg über Jukos war zugleich eine Kampfansage an die Oligarchen.

Die Rede ist von Michail Chodorkowski, dem damaligen Vorstandsvorsitzenden von Jukos: einem stiernackigen Entrepreneur, der es vom Proletarierkind zum Oligarchen gebracht hatte und sich selbst als Adrenalinschik bezeichnete – als furchtlosen Adrenalinjunkie. Als Jugendlicher liebte er Felsklettern ohne Sicherung. Und später, während seiner Haftstrafe, brachten ihn auch Messerangriffe nicht um den Schlaf.

Putin beschwor Bedrohungen von außen, um das Nationalgefühl zu stärken.

Wir springen zurück zum Abend des 23. Oktober 2003. Das Dubrowka-Theater im Süden Moskaus war ausverkauft. Die 900 Gäste im Saal lehnten entspannt in ihren Sesseln, während die Stepptänzer auf der Bühne zum Beginn des Zweiten Aktes ausschwärmten.

Der Kreml nutzte Schmiergeld und Gas, um die Politik der Ukraine zu beeinflussen.

Kommen wir zurück zum Sommer 2004. Der Kreml hatte soeben den Erdölkonzern Jukos zerschlagen und sich die Anteile einverleibt. Ganz Moskau war noch völlig baff. Doch im Hintergrund liefen weitere Finanzgeschäfte, die die Macht von Präsident Putin stärkten.

Ab 2005 schleuste Russland massenhaft Kapital nach London.

Spätestens jetzt begann in Russland eine neue Zeit des Wohlstands. Die Ölpreise stiegen im Laufe der 2000er-Jahre weiter an, und damit wuchsen auch Volks- und Pro-Kopf-Einkommen. Bald konnte eine aufstrebende Mittelschicht in westlich geprägten Malls shoppen, und selbst im entlegenen Sibirien servierten Restaurants nun Lamm aus Neuseeland und Wein aus Frankreich.

Die Annexion der Krim war der Beginn eines wiederbelebten Großmachtstrebens.

2008 endete Putins zweite Amtszeit als Präsident. Er übergab das Zepter an Dmitri Medwedew, einen zurückhaltenden Juristen, der ihn seit Petersburger Tagen begleitete. Im Westen keimte Hoffnung: Man sah Medwedews Gesprächsbereitschaft als Zeichen, dass er das Land wieder auf Liberalisierungskurs bringen würde.

Ab 2012 positionierte sich Russland als Gegengewicht zum Imperialismus der USA.

Du hast es jetzt schon ein paarmal gehört: Putin und seine Männer haben immer wieder Wege gefunden, um schmutziges Geld zu waschen und dann in den Westen zu leiten.

Putin fand einen Verbündeten in Donald Trump.

Donald Trump hatte schon lange vor seiner politischen Karriere russische Kontakte. Es begann mit einem Mann namens Schalwa Tschigirinski, einem Antiquitätenschmuggler, der mit der Solnzewskaja-Bruderschaft Geschäfte machte – Russlands größtem Mafia-Clan –, und Kontakte zu diversen russischen Geheimdienstlern pflegte.