Was unsere Entscheidungen verzerrt – und wie wir sie verbessern können
Noise von Daniel Kahneman, Cass R. Sunstein & Olivier Sibony ist ein Buch, das sich mit der Problematik von Entscheidungsfehlern und -verzerrungen befasst. Es zeigt auf, wie wir besser mit Unsicherheit und Lärm umgehen können, um fundiertere Entscheidungen zu treffen.
Stell dir vor, du und deine beste Freundin seid wissbegierige Nerds mit einer zweifelsfrei großen akademischen Zukunft. Ihr habt gerade euer Abi mit lupenreinem Einserschnitt eingetütet und bewerbt euch bei den besten Eliteunis des Landes – bei einer davon werdet ihr beide zum Auswahlgespräch eingeladen.
Dein eigenes Interview läuft wie am Schnürchen. Der Mitarbeiter der Zulassungsstelle ist sichtlich von deinen Noten beeindruckt und du schlenderst anschließend zuversichtlich über den Campus. Die Sonne strahlt, eine angenehme Brise gibt dir sanften Rückenwind: Alles scheint zu passen.
Deine Freundin trifft sich am darauffolgenden Tag mit demselben Beamten. Auch ihr Gespräch verläuft geschmeidig. Doch noch während sie die Fakultät verlässt, erbrechen sich die Regenwolken, die sich seit dem Vormittag zusammenbrauen. Es gießt wie aus Eimern.
Ein paar Wochen später trudeln eure Briefe von der Zulassungsstelle ein. Deine Freundin wurde genommen, du aber nicht. Dein Kopf beginnt zu rattern: Wie kann das sein? Ihr habt doch exakt dieselben formalen Voraussetzungen! Warum sie?
Nun, möglicherweise lag das Ergebnis nicht an eurer Eignung, sondern an völlig zufälligen und unvorhersehbaren Faktoren – zum Beispiel am Wetter. Im Jahr 2003 veröffentlichte der Verhaltensforscher Uri Simonsohn einen Artikel mit dem provokanten Titel Clouds Make Nerds Look Good. Er fand heraus, dass sich die Mitarbeiter universitärer Zulassungsstellen an bewölkten Tagen stärker auf Schulnoten konzentrieren.
Dagegen sind sie an sonnigen Tagen sensibler für außerschulische Qualitäten. Wir erinnern uns: Bei deinem Gespräch schien die Sonne. Es könnte also sein, dass sich der Mitarbeiter just an jenem Tag mehr für sportliches oder künstlerisches Talent oder ehrenamtliches Engagement interessierte als nur für den Abischnitt.
Oder aber deine Ablehnung hatte ganz andere Gründe. Vielleicht waren die letzten fünf Kandidaten vor dir auf dem Papier genauso qualifiziert wie du. Der Beamte ließ sie alle zu und musste nun zwangsläufig wählerischer und strenger werden – ausgerechnet, als du an der Reihe warst. Vielleicht hatte er aber auch einfach nur Hunger. Oder er hatte sich wegen der kräftigen Klimaanlage einen Zug geholt. Oder der Fußballverein seines Herzens hatte am Vortag ein wichtiges Spiel verloren.
So irrelevant das alles klingt: Studien zufolge können sich all diese Faktoren auf die Entscheidungen von Kreditsachbearbeiterinnen, Sportschiedsrichtern, Ärztinnen und Richtern auswirken.
Das bedeutet: Das menschliche Urteilsvermögen kann von willkürlichen und unvorhersehbaren Faktoren beeinflusst werden.
In all den beschriebenen Szenarien trifft ein und dieselbe Person in grundlegend identischen Situationen unterschiedliche Entscheidungen. Die Frage ist: Warum?
Noise (2021) ist ein ereignisreicher Ausflug in die chaotische und kostspielige Welt willkürlicher menschlicher Urteilsfehler. Wie kann es sein, dass Experten substanziell gleiche Sachverhalte völlig anders bewerten? Diese Blinks beleuchten die psychologischen Mechanismen individueller und kollektiver Entscheidungen und erklären, wie wir bessere und gerechtere Urteile fällen können.
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