Abschied vom Abstieg Buchzusammenfassung - das Wichtigste aus Abschied vom Abstieg

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Zusammenfassung von Abschied vom Abstieg

Name: Abschied vom Abstieg
Rating: 3.4 (109 reviews)
Author: Herfried Münkler & Marina Münkler

Herfried Münkler & Marina Münkler

Eine Agenda für Deutschland

3.4 (109 Bewertungen)

26 Min.

Themen

Schools German Politics

Inhaltsübersicht

Abschied vom Abstieg
in 9 Kernaussagen verstehen

Audio & Text in der Blinkist App

Kernaussage 1 von 9

Was drin ist für dich: Ein konstruktiver Blick auf die Probleme Deutschlands.

Deutschland steht kurz vor dem Kollaps, die Wirtschaft ist am Boden, die Bildung ein Skandal, die Kultur überfremdet und der Medienapparat fest in der Hand eines handlungsunfähigen Rechtsstaats: So ungefähr klingen die Beiträge von AfD-Politikern im Bundestag. Noch erstaunlicher ist, dass dieses Abstiegsnarrativ immer größere Teile der deutschen Öffentlichkeit erfasst. Besteht womöglich wirklich Grund zur Panik?

Nein. Deutschland steht zweifelsohne vor großen Herausforderungen, aber Panikmache und Polemik schüren in der Bevölkerung genau die Ängste, die den Vormarsch antidemokratischer Parteien wie der AfD beflügeln. Was wir stattdessen brauchen, sind sachliche Analysen und pragmatische Reformvorschläge. Dass es durchaus Lösungsansätze gibt, zeigen diese Blinks am Beispiel der Bereiche Bildung, Demokratie und EU-Politik.

Du erfährst,

was die deutsche Politikverdrossenheit mit dem Wirtschaftswunder zu tun hat,
was sich das deutsche Bildungssystem von Schulmodellen der DDR abschauen kann und
warum die Demokratie ausgerechnet durch die Ausweitung der Bürgerrechte lahmt.

Das Narrativ vom Abstieg Deutschlands zeichnet die Realität düsterer, als sie ist.

Deutschland schafft sich ab, Deutschland: der Abstieg eines Superstars – die Buchtitel von Thilo Sarrazin und Gabor Steingart sind nur zwei Beispiele für die vielen negativen Prognosen zur Zukunft der BRD. Sie alle befeuern das Narrativ vom vermeintlichen Abstieg Deutschlands – die Angst vor dem wirtschaftlichen Niedergang und dem Zerfall des gesellschaftlichen Zusammenhalts.

Dabei wird das Abstiegsnarrativ nicht nur von Extremisten bedient – wie das Beispiel des ehemaligen Spiegel-Journalisten Gabor Steingart zeigt. Doch je weiter wir uns den Rändern des politischen Spektrums nähern, desto dramatischer wird es. Sowohl die Linke als auch die Rechte trauern einer vermeintlich besseren Vergangenheit nach. Und beide sprechen der gegenwärtigen politischen Ordnung die Fähigkeit ab, die Zukunft erfolgreich gestalten zu können.

Die Linke spricht vom „Abstieg“ und bezieht sich damit vor allem auf gesellschaftliche Zusammenhänge. Sie beklagt den schleichenden Zerfall des Proletariats. Früher hätten mehr Menschen in Kollektivstrukturen wie Gewerkschaften für bessere Sozialleistungen gekämpft. Heute zwänge der Kapitalismus die soziale Schere immer weiter auseinander.
Die Rechte verwendet noch stärkere Begriffe wie „Niedergang“ und „Verfall“, um machtpolitische und soziokulturelle Dynamiken zu beschreiben. Deutschland „verabschiede“ sich von den kulturellen Werten und ökonomischen Modellen, die früher das Fundament seiner Stärke waren.

So oder so hat es das Abstiegsnarrativ in die gesellschaftliche Mitte geschafft. Das zeigte unter anderem die Vermächtnisstudie, die zwischen 2015 und 2016 von der Zeit, dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung und dem Sozialforschungsinstitut Infas durchgeführt wurde. Die Mehrheit der rund 3000 Befragten bewertete die Zukunftsperspektiven Deutschlands pessimistisch.

Das Problem ist, dass diese Erzählmuster die Wahrnehmung der Realität verzerren. Deutschland hat die Finanzkrise ab 2008 vergleichsweise gut überstanden und danach zehn Jahre lang ein positives Wirtschaftswachstum verzeichnet. Wenn man auf die Zahlen schaut, geht es dem Land nicht schlecht.

Auch der linke Diskurs vom sozialen Abstieg vereinfacht die Zusammenhänge. Es stimmt, dass die Kluft zwischen Arm und Reich wächst und dass die einkommensschwachen Gruppen stärker vom sozialen Abstieg bedroht sind. Diese Beobachtungen sind wichtig und bedenklich, aber vor allem auch relativ. Absolut betrachtet muss in Deutschland niemand in Not und Elend leben, und soziale Mobilität ist nach wie vor auch nach oben möglich.

Kurzum: Die Lage in Deutschland wird dramatischer dargestellt, als sie ist. Wie kommt das? Und ist das wirklich ein neues Phänomen?

Die Volksparteien leiden besonders stark darunter, dass der Fortschrittsglaube bröckelt.

Das westdeutsche Wirtschaftswunder gilt bis heute als strahlendstes Kapitel der deutschen Nachkriegszeit. Es nährte den kollektiven Glauben, der Aufschwung könne Wohlstand für alle Menschen bringen. Genau dieser Glaube wurde von der Politik zu einem Aufschwungsversprechen stilisiert, von dem sich heute viele Menschen betrogen fühlen.

Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg gab es noch verschiedene Fortschrittsnarrative, und zwar auf beiden Seiten der innerdeutschen Grenze. Beide versprachen mehr oder weniger dasselbe: Der wirtschaftliche und technologische Fortschritt werde den Lebensstandard immer weiter steigern. Die ideologischen Unterschiede wurden erst dann sichtbar, als der reale Aufschwung vorbei war.

Das deutsche Bildungssystem ist ungerecht und reformbedürftig.

Das deutsche Bildungssystem verliert an Qualität. Da sind sich alle einig, von den Handwerkskammern und Arbeitgeberverbänden über die Medien bis zu den Lehrenden selbst. Was ist da los, und was kann man dagegen tun?

Fakt ist, dass immer mehr junge Deutsche mit unzureichendem Bildungsniveau von der Schule kommen. Die Universität Hamburg führte 2011 die sogenannte Level-One-Studie durch. Sie ergab, dass es in Deutschland rund 7,5 Millionen funktionale Analphabeten gibt. Sie können zwar einzelne Sätze lesen, aber keine kurzen Texte oder einfache Arbeitsanweisungen verstehen. Das betrifft ganze 14 Prozent der erwerbstätigen Bevölkerung, darunter auch Menschen mit Abitur.

Das Schulsystem sollte gemeinsames und spezialisiertes Lernen in kleinen Gruppen fördern.

All diese Defizite sind kein Grund, den Totalabstieg des deutschen Bildungssystems zu beschwören. Mit den richtigen Reformen kann Deutschland ein gutes und gerechtes Schulwesen schaffen.

Dafür braucht es vor allem eines: ausreichend finanzielle Ressourcen. Weil es an so gut wie allen staatlichen Schulen an Geld und Lehrpersonal mangelt, drängen sich die Kinder in überfüllten Klassen. Die Lehrkräfte haben kaum eine Chance, ihre Schüler individuell zu fördern.

Die Demokratie leidet an schwindender Handlungsfreiheit und gesellschaftlicher Spaltung.

Die Protestmärsche der Pegida sind kleiner geworden. Das heißt aber nicht, dass Angst und Wut in der Bevölkerung zurückgehen. Im Gegenteil: Mit der AfD hat sich eine rechtspopulistische Partei in der Mitte der Gesellschaft etabliert. Wie war das möglich?

Viele Menschen sind schlichtweg von der Politik enttäuscht. Ein Grund dafür ist eine Dynamik, die zwar allen politischen Systemen innewohnt, in der Demokratie aber besonders spürbar ist: die Diskrepanz zwischen den Erwartungen der Bürger und dem, was das System leisten kann.

Der Staat muss politische Partizipation fördern und die Kluft zwischen Stadt und Land verringern.

Eines der größten Probleme der Demokratie ist die fehlende Transparenz. Wir sind es gewohnt, dass die Politik wochenlang über Maßnahmen zum Klimaschutz, den Mindestlohn oder Rentenreformpläne streitet. Wir bekommen nur nichts davon mit. Am Ende gibt es eine trockene Pressekonferenz und die übliche mediale Berichterstattung. Das könnte auch anders aussehen.

Wir Bürger nehmen es inzwischen als selbstverständlich hin, dass die Details wichtiger politischer Entscheidungen hinter verschlossenen Türen verhandelt werden. So erfährt niemand, welche Optionen und Alternativen diskutiert wurden. Das hinterlässt bei vielen Menschen das frustrierende Gefühl, dass ihre Bedürfnisse missachtet werden.

Die EU steht außenpolitisch unter Druck und ist im Inneren zerstritten.

Das deutsche Abstiegsnarrativ ist eng mit einer wachsenden EU-Skepsis verknüpft. Nach der griechischen Schuldenkrise kamen weitere Bewährungsproben, von der Krim-Annexion über die sogenannte Flüchtlingskrise bis hin zum Brexit-Drama.

Die Weltordnung wankt, und die EU sucht strauchelnd nach ihrem Platz. Nachdem die USA nach dem Zweiten Weltkrieg jahrzehntelang die Rolle der globalen Hegemonialmacht beansprucht hatten, begannen sie unter Präsident Obama sukzessive den Rückzug. Das lag zum Teil an Obamas friedenspolitischen Ambitionen, aber vor allem an der großen Desillusion des Irakkriegs.

Die EU braucht eine gemeinsame europäische Außenpolitik und klare Bekenntnisse zu ihren Werten.

Je weiter sich die USA aus der Weltpolitik zurückziehen, desto lauter werden die Forderungen nach einem stärkeren Engagement der EU. Obwohl dies angesichts der beschriebenen Probleme zunächst unwahrscheinlich erscheint, sollte die EU dennoch an ihren Beziehungen zu den anderen Weltmächten arbeiten.

Das gilt besonders für das Verhältnis zu den USA und Russland. Vieles deutet darauf hin, dass die Interessenkonflikte zwischen Washington und Brüssel auch nach der Abwahl Trumps bestehen werden. Die EU muss sich an dieses Szenario gewöhnen und klarer Stellung beziehen. Wenn die USA wie zuletzt in Libyen oder Syrien an den Rändern Europas intervenieren, muss die EU auf einen engen Austausch oder gar ein Veto drängen. Die europäischen Interessen dürfen nicht einfach übergangen werden.

Zusammenfassung

Ja, Deutschland steht vor großen Herausforderungen. Viele Menschen sind heute frustriert, politikverdrossen und fürchten sich vor sozialem Abstieg. Aber die Beispiele des Bildungssystems, der gesellschaftlichen Spaltung und dem bröckelnden Glauben an die Demokratie zeigen, dass dramatische Abgesänge zu nichts führen. Was wir brauchen, sind sachliche Analysen und konstruktive Ideen.

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Worum geht es in Abschied vom Abstieg?

Deutschland geht vor die Hunde. So zumindest lautet der Tenor zahlreicher Stimmen, die der Bundesrepublik einen wirtschaftlichen und politischen Abstieg prophezeien. Das Problem ist, dass diese Hysterie nur Ängste und populistische Meinungsmache befeuern, statt pragmatische Lösungen zu fördern. Was wir wirklich brauchen, sind konstruktive Analysen und Ideen. Diese Blinks zu Abschied vom Abstieg (2019) machen den Anfang.

Bestes Zitat aus Abschied vom Abstieg

Gut zu wissen: 2017 betrug Deutschlands Handelsbilanzüberschuss innerhalb der EU 68 Milliarden Euro.

—Herfried Münkler & Marina Münkler

Wer Abschied vom Abstieg lesen sollte

Alle, die sich gegen düstere Zukunftsprognosen wehren wollen
Alle, die sich für den Zusammenhang zwischen Panikmache und Populismus interessieren
Lehrende und Studierende der Politik und Soziologie

Über den Autor

Herfried Münkler ist Politikwissenschaftler und lehrte bis 2018 an der Humboldt-Universität zu Berlin. Sein Fachgebiet ist die Politische Theorie und Ideengeschichte. Zu seinen veröffentlichten Büchern zählen Der Große Krieg sowie Der Dreißigjährige Krieg.

Marina Münkler ist Professorin für Ältere und frühneuzeitliche deutsche Literatur und Kultur an der TU Dresden. Zu ihren Veröffentlichungen gehören Erfahrung des Fremden und Narrative Ambiguität. Die Faustbücher des 16.–18. Jahrhunderts.

Gemeinsam haben beide bereits Das Lexikon der Renaissance und Die neuen Deutschen veröffentlicht.

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