Wer ist wir? Book Summary - Wer ist wir? Book explained in key points

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Wer ist wir? summary

Name: Wer ist wir?
Rating: 4.5 (40 reviews)
Author: Navid Kermani

Navid Kermani

Deutschland und seine Muslime

4.5 (40 ratings)

18 mins

Topics

Atheism Islam

Table of Contents

Wer ist wir?
Summary of 9 key ideas

Audio & text in the Blinkist app

Key idea 1 of 9

Was drin ist für dich: Verstehen, dass nicht der Islam das Problem ist, sondern der Fundamentalismus – auch der westliche.

Kannst du dir eine Talkshow im deutschen Fernsehen vorstellen, in der gefragt wird, ob wir Angst haben müssen vor dem Christentum? Wohl kaum. Dass wir vor dem Islam Angst haben müssen, hören wir dagegen oft. Dabei schwingt die Annahme mit, dass der Islam und seine Anhänger eben nicht Teil von Deutschland sind. Eine falsche Annahme, denn mindestens vier Millionen Menschen in Deutschland sind islamischen Glaubens.

Wie kommt es, dass dennoch so viele nicht-muslimische Menschen den Islam als fremdartig und bedrohlich erleben? Welche Rolle spielen die Medien dabei? Wie entsteht Fundamentalismus, egal welcher Art? Das sind einige der Fragen, die diese Blinks beleuchten.

Du wirst außerdem lernen,

was evangelikale Amerikaner und hinduistische Inder miteinander gemein haben,
warum der „Kampf der Kulturen” ein fundamentalistisches Märchen ist, und
welche Merkmale den Islam zu einer modernen Religion machen.

Die Identität jedes Menschen ist vielfältig.

Versuche einmal, dich selbst mit ein paar Worten zu beschreiben. Was würdest du sagen? Wahrscheinlich würdest du ganz unterschiedliche Dinge nennen, je nachdem ob du dich einem Personalchef oder deinem neuen Nachbarn vorstellst. Und wer bist du nun wirklich? Natürlich: alles zusammen.

Die Identität jedes Menschen setzt sich aus einer Vielzahl verschiedener Facetten zusammen. Eine Person kann auf verschiedenen Ebenen unterschiedlichsten Bevölkerungsgruppen angehören, sich beispielsweise gleichzeitig als Trans-Frau, Studentin, Muslima, Deutsche, St. Pauli-Fan und Vegetarier verstehen.

Die verschiedenen Facetten einer Identität können dabei durchaus widersprüchlich sein. So kann sich jemand als Muslim verstehen und gleichzeitig für das Recht eintreten, homosexuell zu leben. Dass die gängigen Auslegungen des Islam Homosexualität ablehnen, spielt dabei keine Rolle. Schließlich muss das, was die Religion für ihre Anhänger persönlich bedeutet, nichts mit Homophobie zu tun haben.

Vor allem aber ist die muslimische Identität nur eine Facette des Selbstverständnisses dieser Person. Nicht jede Ansicht und jedes Verhalten muss deswegen zu hundert Prozent mit dieser Teilidentität übereinstimmen. Ja, Menschen sind voller Widersprüche!

So wie Menschen eine vielschichtige Identität haben, bestehen auch plurale Gesellschaften aus vielen verschiedenen Kulturen. Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass multikulturelle Gesellschaften sogar die Regel sind.

Im Osmanischen Reich z.B. gab es immer auch christliche Gemeinschaften. Ihre Mitglieder pflegten einerseits im eigenen Kreis ihre verbindende Religion, sahen sich aber nicht als Außenseiter, sondern als fester Bestandteil des Reichs. Ohne eine grundsätzliche Pluralität der osmanischen Gesellschaft hätten diese Gemeinschaften niemals überleben können.

Allerdings gab es auch immer wieder Bestrebungen, diese Vielfalt durch Einheitlichkeit zu ersetzen. Daran knüpfen diejenigen an, die heute eine Grenze zwischen „uns“ und dem Islam ziehen möchten.

Die Grenzziehung zwischen „uns“ und dem Islam führt zu einem Teufelskreis von Ausgrenzung und Radikalisierung.

Eine Grenzziehung zwischen „uns“ und dem Islam verkennt die Tatsache, dass es in Deutschland viele Menschen gibt, die sich sowohl als Muslime als auch als Deutsche begreifen. Zu welcher Gruppe gehören sie denn, wenn von der Vereinbarkeit des Islam mit der deutschen Gesellschaft gesprochen wird?

Der stillschweigende Zwang, sich zwischen einer deutschen und einer muslimischen Identität zu entscheiden, verunsichert viele Menschen und provoziert Abwehr und Wut. Denn durch diese Entweder-Oder-Logik können sich nur die Muslime in Deutschland heimisch fühlen, die ihre Wurzeln verleugnen.

Viele Deutsche haben ein verzerrtes Bild vom Islam.

Das Schlagwort Islam fällt in den deutschen Medien so häufig wie kaum ein anderes. Dabei werden Muslime fälschlicherweise oft als amorphe Masse betrachtet, die recht einheitliche Positionen vertritt.

Die intensivste Auseinandersetzung über den Islam findet unter Muslimen selbst statt. In den vergangenen Jahren sind nicht nur fundamentalistische Kräfte im Islam erstarkt, sondern ebenso ihre Gegenspieler. Ein bedeutender Teil der weltweiten muslimischen Bevölkerung vertritt auf der Basis ihres Glaubens ein säkulares Gesellschaftsverständnis, also eine Trennung von Staat und Religion.

Der Fundamentalismus ist die größte Bedrohung der Vielfalt.

Indem ich mich mit einer Sache identifiziere, grenze ich mich zugleich von etwas anderem ab. Das liegt in der Natur der Sache. Ich kann mich nur als Deutsche, Muslima oder Vegetarier verstehen, wenn ich etwas anderes nicht bin, etwa Australierin, Christin oder Fleischesser.

Problematisch wird die Sache, wenn eine kollektive Identität konstruiert und jeder abgewertet wird, der diese Identität nicht teilt. Verschiedenste gesellschaftliche Minderheiten geraten immer dann unter Druck, wenn Gesellschaften oder deren politische Führer den Drang verspüren, Einheitlichkeit herzustellen und kulturelle Nischen einzuebnen.

Unsicherheit ist ein Nährboden für fundamentalistische Einstellungen.

Die Welt, in der wir leben, verändert sich rasant. Das betrifft nicht nur die Technik, sondern auch die Art des Zusammenlebens. Wie wir schon gesehen haben, trägt die zunehmende Globalisierung dazu bei, dass sich soziale Gefüge wandeln und vertraute Verhaltensregeln nicht mehr gelten.

In einer solch unsicheren Welt suchen viele Menschen einfache Antworten auf komplexe Fragen. Insbesondere wenn das Zugehörigkeitsgefühl verloren geht, liegt es nahe, ein neues, ausschließendes „Wir“ gegen die Welt da draußen zu schaffen.

Der „Kampf der Kulturen” ist ein fundamentalistisches Märchen.

1996 veröffentlichte der US-amerikanische Politikwissenschaftler Samuel Huntington sein Buch Kampf der Kulturen. Es gilt weithin als eine theoretische Begründung für die Unvereinbarkeit verschiedener Kulturen. Doch die These vom „Kampf der Kulturen“ beruht auf einer Fehlannahme: Sie geht von scharf abgrenzbaren Kulturen aus. Und diese gibt es schlichtweg nicht.

Huntington zufolge gibt es auf der Welt untereinander grundverschiedene, aber in sich homogene Kulturkreise, so z.B. den westlichen und den islamischen Kulturkreis. Diese bekämpfen einander unweigerlich und ringen um eine globale Vormachtstellung.

Integrationsprobleme sind meist nicht in der Religion begründet, sondern im sozialen Hintergrund der Migranten.

Und wie sieht es innerhalb der deutschen Gesellschaft aus? Navid Kermani berichtet aus seiner eigenen Kindheit in Deutschland, bei der seine iranische Herkunft zunächst kaum ins Gewicht fiel, vor allem im Umfeld des bürgerlich geprägten Gymnasiums. Dagegen fühlte er sich fremd, als er als Arztsohn in einen Fußballverein eintrat, in dem sonst hauptsächlich Jungen aus ärmeren Familien spielten – meist ohne Migrationshintergrund.

Der soziale Hintergrund eines Migranten – und nicht die Religion – ist also für die erfolgreiche Integration in die moderne deutsche Gesellschaft der entscheidende Faktor. So kommen die meisten muslimischen Einwanderer aus ländlich geprägten Gebieten. Für sie ist der Umzug in deutsche Städte wie eine Zeitreise, die viele gewohnte Strukturen verändert. Es ist vollkommen normal, dass viele Einwanderer auf eine derart radikale Umstellung mit Abschottung und einem Rückzug in das eigene, bekannte Umfeld reagieren.

Die Frage, ob der Islam mit der Moderne vereinbar sei, ist falsch gestellt.

Doch kommen wir zurück zum Islam. In Talkshows, in den Feuilletons und sogar im Bundestag wird diskutiert, ob der Islam als Religion mit der westlichen Gesellschaft und der Moderne insgesamt überhaupt vereinbar sei. Diese Frage geht jedoch völlig am Kern der Sache vorbei.

Die Gegenfrage lautet: Welche Moderne und welcher Islam? Die Moderne kann als Kanon aufklärerischer Ideen von Menschenrechten, Demokratie und Toleranz verstanden werden – und ebenso als geschichtliche Epoche der Sklaverei, zweier Weltkriege und der grausamsten Genozide der Geschichte.

Zusammenfassung

Die Kernaussage dieses Buches ist:

Der Islam ist weder „böse“, noch gibt es „den einen“ Islam. Er ist ebenso vielfältig und facettenreich wie andere Religionen. Es besteht also kein Grund, den Islam grundsätzlich abzulehnen oder ihm eine Vereinbarkeit mit unseren Werten abzusprechen. Wir sollten damit beginnen, Menschen in ihrer Vielfalt zu erkennen und zuzulassen und jedem Fundamentalismus, sei er religiös oder völkisch, eine Absage zu erteilen. Menschen sind vielfältig, und Gesellschaften sind es auch.

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What is Wer ist wir? about?

Wer ist Wir (2009) ist ein Beitrag zur ewigen Integrationsdebatte: Ist der Islam mit Deutschland vereinbar? Navid Kermani macht schnell deutlich: Das Kernproblem ist nicht die religiöse oder kulturelle Prägung, sondern eine fundamentalistische Weltsicht, und zwar unabhängig davon, ob sie in einem islamischen oder einem westlichen Gewand auftritt. Das Buch ist ein Plädoyer für die Vielfalt – des einzelnen Menschen und der Gesellschaft.

Who should read Wer ist wir??

Jeder, der den Islam für unvereinbar mit der deutschen Gesellschaft hält
Jeder, der das anders sieht
Alle, die auf komplexe Fragen keine einfachen Antworten haben möchten

About the Author

Der Deutsch-Iraner Navid Kermani, Jahrgang 1967, ist freier Schriftsteller und habilitierter Orientalist. Für seine Romane, Reportagen und wissenschaftlichen Werke wurde er vielfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 2015 und dem Hannah-Arendt-Preis für politisches Denken 2011.

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