Die Blinks zu Moralischer Fortschritt in dunklen Zeiten (2020) zeigen dir, dass wir trotz all der Krisen, die uns seit Beginn des 21. Jahrhunderts plagen, zu moralischem Fortschritt fähig sind. Das liegt daran, dass es Werte gibt, die universell sind und daher für alle Menschen gelten. Wenn es uns gelingt, diese Werte wieder zutage zu fördern, können wir an den Krisen sogar wachsen.
Markus Gabriel wurde 2009 mit 29 Jahren der jüngste Philosophieprofessor Deutschlands. Seitdem hat er an der Universität Bonn den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit inne. Er ist außerdem Gastprofessor an der Pariser Universität Sorbonne. Gabriel ist als Schreiber sehr aktiv. In den vergangenen Jahren erschienen gleich mehrere seiner Philosophiebücher, die sich nicht nur an ein Fachpublikum richten.
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Start free trialDie Blinks zu Moralischer Fortschritt in dunklen Zeiten (2020) zeigen dir, dass wir trotz all der Krisen, die uns seit Beginn des 21. Jahrhunderts plagen, zu moralischem Fortschritt fähig sind. Das liegt daran, dass es Werte gibt, die universell sind und daher für alle Menschen gelten. Wenn es uns gelingt, diese Werte wieder zutage zu fördern, können wir an den Krisen sogar wachsen.
Erinnerst du dich noch an die Staatsaffäre um Jan Böhmermann? Der Komiker hatte 2016 den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan in seinem sogenannten Schmähgedicht unter anderem als „Ziegenficker“ bezeichnet, woraufhin dieser ihn anzeigte. Kannst du dir vorstellen, inwiefern dies zu moralischem Fortschritt für uns alle geführt haben könnte? Die Anwälte Erdoğans verklagten Böhmermann nicht einfach wegen Beleidigung. Sie beriefen sich in ihrer Anklage auf Paragraf 103 des deutschen Strafgesetzbuches. Er sieht vor, dass „Majestätsbeleidigung“ härter als die Beleidigung eines normalen Staatsbürgers bestraft werden kann. Um genauer zu sein: Er sah es vor. Mittlerweile, im Jahr 2020, existiert er nicht mehr.
Manchmal sind Gesetze einfach nicht mehr zeitgemäß. Wir empfinden ein Gesetz etwa dann als veraltet, wenn es nicht mehr mit unseren Werten übereinstimmt – es passt dann nicht mehr in unseren Werterahmen. So war es zum Beispiel auch nicht mehr mit unseren Werten vereinbar, homosexuellen Menschen die Heirat zu versagen.
Unser Werterahmen verändert sich, allgemein gesagt, indem wir etwas dazulernen oder erkennen. Viele Dinge, die in vergangenen Zeiten als unmoralisch galten, sehen wir heute – zum Beispiel aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnisse – als moralisch neutral an. So auch die gleichgeschlechtliche Liebe. Wir haben nämlich inzwischen gelernt, dass Homosexualität keine Krankheit oder Störung ist und auch im Tierreich vorkommt. Außerdem haben wir uns in großen Teilen von der Bibel als moralischem Grundgerüst verabschiedet, weswegen wir Homosexualität nicht mehr als Sünde ansehen.
Unser Werterahmen verschiebt sich. Deshalb ist es auch die Aufgabe des Gesetzgebers, Gesetze zu überarbeiten. Dass wir neue Erkenntnisse haben, führt zu neuen Werten, und wenn diese dann gesetzlich festgehalten werden, ist das ein moralischer Fortschritt.
Wir dürfen Böhmermann also dankbar sein – er hat mit seinem auf den ersten Blick fragwürdigen Vergleich den moralischen Fortschritt gefördert. Denn der Vorfall bescherte unserem Strafgesetzbuch ein lange überfälliges Update. Oder findest du es etwa noch als zeitgemäß, Majestätsbeleidigung unter besonders harte Strafe zu stellen? Immerhin lautet einer unserer zentralen Werte, dass alle Menschen gleich sind, vor dem Gesetz und überhaupt. Letztere Einsicht führte auch schon zu einem viel größeren moralischen Fortschritt: die Abschaffung der Sklaverei.
Moralischer Fortschritt geschieht also dann, wenn wir neue Erkenntnisse darüber gewinnen, was wir tun und was wir lassen sollten. Doch dazu müssen wir zuerst sogenannte moralische Tatsachen aufdecken, die zuvor verborgen waren. Moralische Tatsachen? Was es mit diesen auf sich hat, erfährst du im nächsten Blink.