Wer darf sich eigentlich als Philosoph bezeichnen? Friedhelm Moser meint: Im Grunde jeder, denn zum Philosophieren braucht es nicht viel – nur ein wenig Neugier, Muße und Unternehmungslust. Philosophen sind Menschen, die sich mit dem Eingeständnis, nichts zu wissen, auf den Weg der Erkenntnis begeben. In den Blinks zu Kleine Philosophie für Nichtphilosophen (2019) stellen wir die großen Fragen – etwa nach Liebe, Freiheit und Gleichheit –, liefern spannende Antworten und zeigen, dass der Weg in der Philosophie häufig auch das Ziel ist.
Friedhelm Moser war studierter Philosoph und Altphilologe. Nach dreizehn Jahren im Schuldienst wandte er sich ganz der Schriftstellerei zu und verfasste erfolgreiche Bücher wie Der philosophische Flohmarkt (1995) und Alles am Weibe ist ein Rätsel (2001). Seine Kleine Philosophie für Nichtphilosophen erschien 2019 bereits in der fünften Auflage. Friedhelm Moser starb 1999 im Alter von 45 Jahren.
Original: Kleine Philosophie für Nichtphilosophen © 2019 C.H.Beck, München
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Start free trialWer darf sich eigentlich als Philosoph bezeichnen? Friedhelm Moser meint: Im Grunde jeder, denn zum Philosophieren braucht es nicht viel – nur ein wenig Neugier, Muße und Unternehmungslust. Philosophen sind Menschen, die sich mit dem Eingeständnis, nichts zu wissen, auf den Weg der Erkenntnis begeben. In den Blinks zu Kleine Philosophie für Nichtphilosophen (2019) stellen wir die großen Fragen – etwa nach Liebe, Freiheit und Gleichheit –, liefern spannende Antworten und zeigen, dass der Weg in der Philosophie häufig auch das Ziel ist.
Ein Ich hat doch jeder, oder? Es macht uns schließlich zu der Person, die wir sind. Aber ab wann haben wir dieses Ich?
Keine leichte Frage. Festhalten lässt sich: Bei der Geburt oder brabbelnd im Laufstall ist dieses Ich noch sehr klein. Irgendwann kommt der Zeitpunkt, ab dem wir wissen: „Ich bin ein Ich“. Was hat sich verändert? Wir treten uns selbst gegenüber, sehen uns in einer Art innerem Spiegel und können uns damit auch von anderen abgrenzen.
Es gibt Menschen, die sich genau an diesen Moment erinnern können. Der Schriftsteller Jean Paul etwa sah sein Ich als kleines Kind zum ersten Mal. Es traf ihn ganz plötzlich, als würde ein Blitz aus dem Himmel fahren.
Aber ganz gleich, wann oder wie es uns trifft – haben wir unser Ich einmal erkannt, können wir es ergründen. Doch Vorsicht! Je mehr wir darüber nachgrübeln, wer wir sind, desto mehr verlieren wir uns. Es entsteht ein Sog, der uns immer tiefer in uns hineinblicken lässt, doch unser Ich wird dabei kleiner.
Wie gefährlich es sein kann, nur noch das eigene Selbst im Blick zu haben, zeigt das berühmte Beispiel des Narziss. Er entdeckte sein Spiegelbild in einer Quelle und verliebte sich unsterblich. Als er schließlich erkannte, dass er sich selbst liebte, war es zu spät – er starb an gebrochenem Herzen.
Selbstliebe ist völlig in Ordnung, doch sich in der Nabelschau zu verlieren ist gerade für Philosophen ein großes Risiko. Denn um den menschlichen Verstand zu ergründen, betrachten Philosophen nicht nur sich selbst, sondern sie betrachten sich selbst bei der Selbstbetrachtung. Sie leben also besonders gefährlich.
Und es gibt noch einen weiteren beängstigenden Aspekt des Ich: So wie das Ich einen Anfang hat, hat es auch ein Ende. Wir können das als die größte Tragik des menschlichen Daseins begreifen. Oder als Erlösung! Dazu sollten wir uns das Ich als ein prachtvolles Schloss vorstellen, in dem wir residieren. Bewohnen wir es wie ein Gast und werden nicht vom Besitz besessen, haben wir selbst die Wahl, zu gehen. Verlassen wir unser Ich aus freien Stücken, gibt es gar nichts mehr, vor dem wir uns fürchten müssen.
Wie auch immer wir das Ende des Ichs interpretieren, zunächst ist es der Anfang von allem. Es ist der Grund, warum wir Gefühle haben, der Grund, warum wir denken. Kurz: Es ist der Ursprung der Philosophie!