Im Schatten Humboldts (2019) beantwortet die Frage nach dem Ursprung der deutschen Ethnologie. Wer ist der Gründervater der deutschen Ethnologie und wie kamen so viele Objekte aus aller Welt nach Berlin? Die Blinks führen durch die turbulente und teils düstere Geschichte der deutschen Ethnologie und erklären den Ursprung der Debatte um das Humboldt Forum in Berlin.
Der Historiker H. Glenn Penny gilt als Spezialist für die Beziehungen zwischen Deutschland und nichteuropäischen Kulturen. Er ist Professor für moderne europäische Studien und beschäftigt sich schon lange mit der Frage, wie man mit fremden Artefakten in deutschen Museen umgehen sollte.
Original: Im Schatten Humboldts © 2019 C.H.Beck, München
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Start free trialIm Schatten Humboldts (2019) beantwortet die Frage nach dem Ursprung der deutschen Ethnologie. Wer ist der Gründervater der deutschen Ethnologie und wie kamen so viele Objekte aus aller Welt nach Berlin? Die Blinks führen durch die turbulente und teils düstere Geschichte der deutschen Ethnologie und erklären den Ursprung der Debatte um das Humboldt Forum in Berlin.
Das Ethnologische Museum in Berlin besitzt einen hawaiianischen Federumhang, der dank Tausender Vogelfedern in leuchtenden Gelb- und Rottönen schillert. Er gehörte dem großen Herrscher Kamehameha III., der ihn dem deutschen Kaiser Friedrich Wilhelm III. schenkte. Diese Schenkung steht beispielhaft dafür, wie die ersten ethnologischen Exponate ihren Weg durch die Welt nahmen: Sie waren Teil politischer Deals oder diplomatischer Übereinkünfte. Ausgestellt wurden sie vor allem, um die Fremdartigkeit anderer Kulturen zu demonstrieren und Verwunderung hervorzurufen.
Das änderte sich im Jahr 1869, als Adolf Bastian Direktorialassistent und 1876 Direktor der völkerkundlichen Sammlung in Berlin wurde. Bastian wollte dieses System radikal verändern. Seine Vision war es, anhand der Objekte die weltweit unterschiedlichen Anschauungen verschiedenster Kulturen zu untersuchen und wiederzugeben.
Bastian gilt als Gründervater der Ethnologie in Deutschland. Der promovierte Mediziner nahm mit Mitte 20 eine Stelle als Schiffsarzt an und reiste in dieser Funktion um die Welt. Insgesamt war er 25 Jahre unterwegs, besuchte als erster Deutscher alle Länder Ost- und Südostasiens. Dort lebte er mit indigenen Volksgruppen, sammelte Hintergrundwissen über sie und konnte durch seine Arbeit mit ihnen viele ihrer kulturellen Objekte sammeln. Dazu gehörten Tausende Goldmünzen, afrikanische Masken oder Tipis. Seine Theorie war es, dass sich Teile dieses Weltsystems bei jedem Volk in einer anderen Ausprägung zeigten und man diese Ausprägungen vergleichen könne. Dazu brauchte es die Objekte fremder Völker als Untersuchungsmaterial.
Bastian wollte deshalb so schnell so viel wie möglich sammeln. Dies machte es schwer, die Exponate sinnvoll zu ordnen, zu katalogisieren und auszustellen. Ständig kamen neue Objekte hinzu, auch der verfügbare Raum wurde immer kleiner. Vieles wanderte schließlich direkt und unausgestellt ins Magazin. Auch der bis 1900 abgeschlossene Neubau des Völkerkundemuseums konnte keine Abhilfe schaffen, denn das Museum wurde nicht Bastians Wünschen nach mit Blick auf die Flexibilität gebaut, sondern für die städtische Repräsentation. Nicht lange nach dem Einzug der Sammlung war jeder Raum, jeder Gang des Museums zugestellt. Hier standen alte handgeschnitzte Pfeile, dort Masken, in einer anderen Ecke stand ein alter Torbogen. Es drohte wegen fehlender Fluchtwege gar die Schließung aus Gründen des Brandschutzes.
Trotz dieser Probleme stand Bastians Sammeleifer für einen neuen ethnologischen Zugang. Anders als seine Vorgänger ging er auf Reisen, wollte Hintergründe vermitteln und verstand die Objekte als Anlass gemeinsamer wissenschaftlicher Arbeit. Ein Ansatz, der heute noch als Vorbild für alle ethnologischen Sammlungen dient. Wie es Bastian gelang, an all die Objekte zu kommen, erfährst du im nächsten Blink.