Stress, Depressionen, Angsterscheinungen oder Burn-out – viele Menschen vertrauen sich im Laufe ihres Lebens einem Psychiater oder einer Psychiaterin an, um ihr Leben in geordnete Bahnen zu lenken. Aber wie geht eigentlich ein Psychiater mit dem Leid um, das man ihm tagtäglich anvertraut? In Hypochonder leben länger (2020) erzählt der Psychiater Jakob Hein von den Erfahrungen in seiner Praxis. Er berichtet, welche Menschen zu ihm kommen, welche Fragen sie ihm stellen, warum sie oft enttäuscht sind und doch das Gefühl haben, dass ihnen geholfen wird.
Jakob Hein lebt und arbeitet als Kinder- und Jugendpsychiater in Berlin. Seit den 1990er-Jahren ist er Mitglied der Reformbühne Heim und Welt. Er ist Autor zahlreicher Bücher, darunter Mein erstes T-Shirt (2001) und Die Orient-Mission des Leutnant Stern (2018).
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Schon als Jugendlicher faszinierte Jakob Hein der Beruf des Psychiaters. Die Zeitschriften waren damals voller Berichte von Experten, die angeblich allein aus der Körperhaltung eines Menschen dessen sexuelle Vorlieben ablesen konnten. Diese Experten wussten auch, dass Menschen, die gerne aufräumen, anal fixiert sind und Raucher dagegen oral fixiert sein mussten. Das war natürlich spannend!
Hinzu kam, dass der Autor seine eigene Psyche zeitweise nicht so recht verstand und ihr tiefer auf den Grund gehen wollte. Als er jedoch herausfand, dass Psychiater Medizin studieren mussten, war das eine weniger freudige Überraschung. Auch der Unterschied zwischen Psychologie, Psychotherapie, Psychiatrie und Psychoanalyse erschien ihm neblig. Irgendwie war das doch alles dasselbe?
Heute ärgert es ihn, wie sehr der Beruf des Psychiaters mit Stereotypen belegt ist. In der Vorstellung vieler Menschen ist der Psychiater ein älterer, vollbärtiger Mann, der in seinem Sessel schlummert, während auf der Couch neben ihm eine Frau mittleren Alters von ihrer Lebenskrise erzählt. Oder der Psychiater ist ein Sadist im weißen Kittel und arbeitet im Verborgenen hinter den verschlossenen Türen eines abgelegenen „Irrenhauses”.
Derartige Annahmen sind selbstverständlich großer Unsinn. In der Tat können Psychiater ihren Patienten oft sehr gut helfen. Aber wer geht eigentlich zum Psychiater? Ist es wirklich die hobbylose Millionärsgattin oder der schreiende Psychomörder?
Wie die Psychiater selbst, sind auch ihre Patienten ganz normale Menschen. Patienten sind sie, weil sie unter einer psychischen Krankheit leiden, schweren Problemen gegenüberstehen oder schwierige Lebenssituationen erfahren. Manche leiden unter Verfolgungswahn, hören Stimmen oder sind drogenabhängig. Doch in keinem Fall sind Menschen in psychiatrischer Behandlung unnormal.
Und was, wenn sich im Verlauf einer Behandlung herausstellt, dass ein Patient gar nichts hat? Diese Frage bekommt der Autor oft zu hören. Und auch diese Frage ist Unsinn.
Kein Mensch macht sich die Mühe, einen Termin in einer psychiatrischen Praxis zu vereinbaren, wenn er oder sie sich psychisch völlig stabil fühlt. Mag sein, dass es Menschen gibt, die nur in eine Praxis kommen, um der Psychiaterin nachzuweisen, welcher lächerlichen Pseudowissenschaft sie nachgeht. In dem Fall haben diese Menschen allerdings ziemlich sicher psychische Probleme und sollten sich wirklich in Behandlung begeben.