Der Begriff der Heimat ist völkisch verklärt. Er steht für die Sehnsucht weißer Deutscher nach einer homogenen Bevölkerung mit weißen Werten und Sitten. Das ist weder weltoffen noch zeitgemäß, weil es unzählige Menschen ausschließt, die längst zu diesem Land gehören. Diese Blinks zu Eure Heimat ist unser Albtraum (2019) sind ein Manifest gegen die Diskriminierung von Minderheiten und ein Plädoyer für eine bunte und tolerante Gesellschaft.
Fatma Aydemir ist neben ihrer schriftstellerischen Arbeit Kolumnistin und Redakteurin bei der taz und schreibt für das Missy Magazine. Für ihren Debütroman Ellbogen wurde sie mit dem Franz-Hessel-Preis ausgezeichnet.
Hengameh Yaghoobifarah schreibt als freie_r Redakteur_in für das Missy Magazine und die taz, in der auch ihre Kolumne Habibitus erscheint.
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Start free trialDer Begriff der Heimat ist völkisch verklärt. Er steht für die Sehnsucht weißer Deutscher nach einer homogenen Bevölkerung mit weißen Werten und Sitten. Das ist weder weltoffen noch zeitgemäß, weil es unzählige Menschen ausschließt, die längst zu diesem Land gehören. Diese Blinks zu Eure Heimat ist unser Albtraum (2019) sind ein Manifest gegen die Diskriminierung von Minderheiten und ein Plädoyer für eine bunte und tolerante Gesellschaft.
Der „Heimat“-Begriff ist heute noch immer politisch aufgeladen. Für die Herausgeber_innen dieser Essays steht er für die deutsche Sehnsucht nach einer weißen, christlichen und heteronormativen Gesellschaft, in der sich Minderheiten demütig assimilieren. Die Autorin des ersten Essays kann sich damit nicht identifizieren, weil sie sich als nicht-binäre, jüdische Person gleich zwei Minderheiten zugehörig fühlt.
Sasha Marianna Salzmann ist seit 2013 Hausautorin des Maxim-Gorki-Theaters in Berlin. Ihr Essay Sichtbar betont, wie wichtig es ist, sich öffentlich zur Minderheit zu bekennen. Nur Sichtbarkeit kann die Rechte dieser Gruppen stärken und sie vor Diskriminierung schützen.
Ein Beispiel dafür ist der Antisemitismus. Wenn Opfer antisemitischer Angriffe ihre jüdische Identität nicht auf dem Revers trugen, konnten die Aggressoren ihre antisemitischen Motive abstreiten. Sie hätten nicht gewusst, dass die Opfer jüdisch waren.
Solche Ausflüchte sind nicht länger möglich, wenn die Zugehörigkeit zur Minderheit von vornherein offen signalisiert wird. Dann muss der Angriff auf eine Jüdin in der Öffentlichkeit klar als antisemitische Tat geahndet werden.
Ein weiteres Beispiel ist Homosexualität. Eine Umfrage der Antidiskriminierungsstelle des Bundes ergab, dass Homosexualität noch immer nicht von der Mehrheitsgesellschaft akzeptiert wird: 43,8 Prozent der Deutschen fanden, Homosexuelle sollten „nicht so einen Wirbel um ihre Sexualität machen“. 38,4 Prozent fühlten sich von homosexuellen Küssen in der Öffentlichkeit gestört.
Knapp die Hälfte der Bevölkerung wünscht sich, Homosexualität möge unauffällig stattfinden – verdeckt, verschwiegen und unsichtbar. Damit würden auch homophobe Übergriffe wieder in die Grauzonen der Gesellschaft verbannt. Homosexualität sollte aber kein Tabu sein, sondern Normalität. Um das zu erreichen, muss sie offen gelebt und thematisiert werden.
Dabei liefert die deutsche Geschichte erschütternde Belege dafür, dass Assimilation zwecklos und gefährlich ist. Anfang des 20. Jahrhunderts unterwarfen sich viele Jüdinnen und Juden der antisemitischen Propaganda, in der Hoffnung, ein Teil der christlichen Mehrheitsgesellschaft zu werden. Doch die Nazis erinnerten sie durch Diskriminierung und Genozid daran, dass sie nicht dazugehörten.
Die jüdische Identität bricht sich bis heute an der Haltung zum Holocaust. Wer kritisch an die Vergangenheit erinnert, wird als unversöhnliche „Aggro-Jüdin“ diffamiert. Wer sich konstruktiv auf die Gegenwart konzentriert, vergibt den Deutschen für ihre Verbrechen.
Diese Dichotomie sollte allerdings niemanden am sichtbaren Bekenntnis zur Minderheit hindern. Sasha Marianna Salzmann kam 1995 selbst als sogenannter jüdischer „Kontingent-Flüchtling“ aus Russland. Sie trägt bei ihren Lesungen manchmal einen Davidstern, um sich klar zu ihrer Identität zu bekennen.