Offiziell und formal herrscht in Deutschland Gleichberechtigung. Frauen dürfen wählen, Flugzeuge fliegen und Sex haben, wann, wie und mit wem sie wollen. Die entscheidende Frage ist allerdings nicht, ob sie zur Selbstbestimmung berechtigt sind, sondern, ob sie ihre Rechte auch in Anspruch nehmen. In Das beherrschte Geschlecht (2017) erklärt Sandra Konrad, wie die Herrschaft des Patriarchats auch heute noch präsent ist, weshalb die sexuelle Befreiung der Frau ein Mythos ist und warum Selbstbestimmung und Selbstbeherrschung nicht dasselbe sind.
Sandra Konrad wurde 1975 geboren. Sie studierte Sexualwissenschaften, Germanistik und Psychologie und absolvierte anschließend eine Ausbildung zur Verhaltens-, Sexual- und Familientherapeutin. Seit 2001 führt sie ihre eigene Praxis in Hamburg und schreibt nebenbei Sachbücher, die sich mit verschiedenen psychologischen Themen befassen. Sowohl in ihren Büchern als auch in ihrer Arbeit als Therapeutin legt sie besonderes Augenmerk auf die Frage, inwiefern sich Erwartungen, Aufträge und Traumata eines Menschen auf dessen Nachkommen übertragen.
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Start free trialOffiziell und formal herrscht in Deutschland Gleichberechtigung. Frauen dürfen wählen, Flugzeuge fliegen und Sex haben, wann, wie und mit wem sie wollen. Die entscheidende Frage ist allerdings nicht, ob sie zur Selbstbestimmung berechtigt sind, sondern, ob sie ihre Rechte auch in Anspruch nehmen. In Das beherrschte Geschlecht (2017) erklärt Sandra Konrad, wie die Herrschaft des Patriarchats auch heute noch präsent ist, weshalb die sexuelle Befreiung der Frau ein Mythos ist und warum Selbstbestimmung und Selbstbeherrschung nicht dasselbe sind.
Viele junge Frauen haben ein eher negatives Bild vor Augen, wenn von Feminismus und FeministInnen die Rede ist. Sie halten sich für locker, cool und selbstbestimmt. Wozu da noch Feministin sein? Das Problem: Die meisten von ihnen verhalten sich unbewusst immer noch so, wie Männer es von ihnen erwarten – von Selbstbestimmung keine Spur. Kein Wunder. Die Folgen langer Unterdrückung werden nicht von heute auf morgen überwunden.
Viele Jahrhunderte haben Männer in unseren Breitengraden entschieden, wie Frauen sein sollten. Wann das begonnen hat, lässt sich nicht genau sagen. Die Ursprünge des Patriarchats liegen irgendwo im Dunkeln der Geschichte. Fakt ist jedoch, dass Frauen schon in frühesten Zeugnissen der Geschichtsschreibung von Männern unterdrückt und bevormundet wurden.
Lange Zeit galt das weibliche Geschlecht als Eigentum des Mannes. Von Mädchen wurde Enthaltsamkeit erwartet, bis ihr Vater sie offiziell dem zukünftigen Ehemann und damit „Eigentümer“ übergeben hatte. Frauen, die sich den gesellschaftlichen Normen widersetzten, mussten ihre Selbstbestimmtheit teuer bezahlen. Stellte sich z.B. heraus, dass eine Frau einen Liebhaber unterhielt oder einfach nur Gefallen am Sex hatte, wurde sie als Hexe angeklagt, gesteinigt, genitalverstümmelt, zuhause versteckt oder in die Psychiatrie gesperrt.
Heute gibt es zumindest in der westlichen Welt Gesetze, die Frauen vor Unterdrückung schützen sollen. Von Selbstbestimmung kann jedoch trotzdem nicht die Rede sein, denn „was Mädchen wollen“ ist in der Regel vor allem eines: Männern gefallen.
Natürlich wird heute nicht mehr erwartet, dass Frauen keusch sind und keinen Spaß am Sex haben. Ganz im Gegenteil sogar: Die moderne Frau ist begehrenswert und willig, aber auch nicht zu leicht zu haben, sonst würde sie schnell als Schlampe abgestempelt. Sie handelt selbstbewusst und emanzipiert und kann daher auch ganz weisungsfrei entscheiden, sich jeden Tag die Beine zu rasieren, die Bikinizone zu epilieren, sich die Brüste vergrößern zu lassen und strikte Diäten zu halten. Klingt irgendwie gar nicht so selbstbestimmt, oder?
In Wahrheit hat sich die Beherrschung der Frau durch den Mann verselbstständigt. Männliche Erwartungen werden internalisiert, sodass heute nicht mehr Männer bestimmen, wie Frauen sich zu verhalten haben, sondern Frauen freiwillig so sind, wie Männer es erwarten. Und was Männer erwarten – das zu erfahren ist ein Leichtes. Ein Blick in jede beliebige Frauen- oder Jugendzeitschrift genügt. In der Bravo z.B. wurde jungen Leserinnen noch vor einigen Jahren geraten, Typen immer leicht von unten anzuschauen. Das wirke besonders süß.