Deutschland geht vor die Hunde. So zumindest lautet der Tenor zahlreicher Stimmen, die der Bundesrepublik einen wirtschaftlichen und politischen Abstieg prophezeien. Das Problem ist, dass diese Hysterie nur Ängste und populistische Meinungsmache befeuern, statt pragmatische Lösungen zu fördern. Was wir wirklich brauchen, sind konstruktive Analysen und Ideen. Diese Blinks zu Abschied vom Abstieg (2019) machen den Anfang.
Herfried Münkler ist Politikwissenschaftler und lehrte bis 2018 an der Humboldt-Universität zu Berlin. Sein Fachgebiet ist die Politische Theorie und Ideengeschichte. Zu seinen veröffentlichten Büchern zählen Der Große Krieg sowie Der Dreißigjährige Krieg.
Marina Münkler ist Professorin für Ältere und frühneuzeitliche deutsche Literatur und Kultur an der TU Dresden. Zu ihren Veröffentlichungen gehören Erfahrung des Fremden und Narrative Ambiguität. Die Faustbücher des 16.–18. Jahrhunderts.
Gemeinsam haben beide bereits Das Lexikon der Renaissance und Die neuen Deutschen veröffentlicht.
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Deutschland schafft sich ab, Deutschland: der Abstieg eines Superstars – die Buchtitel von Thilo Sarrazin und Gabor Steingart sind nur zwei Beispiele für die vielen negativen Prognosen zur Zukunft der BRD. Sie alle befeuern das Narrativ vom vermeintlichen Abstieg Deutschlands – die Angst vor dem wirtschaftlichen Niedergang und dem Zerfall des gesellschaftlichen Zusammenhalts.
Dabei wird das Abstiegsnarrativ nicht nur von Extremisten bedient – wie das Beispiel des ehemaligen Spiegel-Journalisten Gabor Steingart zeigt. Doch je weiter wir uns den Rändern des politischen Spektrums nähern, desto dramatischer wird es. Sowohl die Linke als auch die Rechte trauern einer vermeintlich besseren Vergangenheit nach. Und beide sprechen der gegenwärtigen politischen Ordnung die Fähigkeit ab, die Zukunft erfolgreich gestalten zu können.
So oder so hat es das Abstiegsnarrativ in die gesellschaftliche Mitte geschafft. Das zeigte unter anderem die Vermächtnisstudie, die zwischen 2015 und 2016 von der Zeit, dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung und dem Sozialforschungsinstitut Infas durchgeführt wurde. Die Mehrheit der rund 3000 Befragten bewertete die Zukunftsperspektiven Deutschlands pessimistisch.
Das Problem ist, dass diese Erzählmuster die Wahrnehmung der Realität verzerren. Deutschland hat die Finanzkrise ab 2008 vergleichsweise gut überstanden und danach zehn Jahre lang ein positives Wirtschaftswachstum verzeichnet. Wenn man auf die Zahlen schaut, geht es dem Land nicht schlecht.
Auch der linke Diskurs vom sozialen Abstieg vereinfacht die Zusammenhänge. Es stimmt, dass die Kluft zwischen Arm und Reich wächst und dass die einkommensschwachen Gruppen stärker vom sozialen Abstieg bedroht sind. Diese Beobachtungen sind wichtig und bedenklich, aber vor allem auch relativ. Absolut betrachtet muss in Deutschland niemand in Not und Elend leben, und soziale Mobilität ist nach wie vor auch nach oben möglich.
Kurzum: Die Lage in Deutschland wird dramatischer dargestellt, als sie ist. Wie kommt das? Und ist das wirklich ein neues Phänomen?